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Streit mit dem Tierarzt


Autor: Wuff-Redaktion / Ausgabe: 2006-12

Die WUFF-Tierrechtsexpertin Dr. Daniela Kuttner informiert über eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die sich mit der Thematik der Behandlung durch den Tierarzt befasst.


Der konkrete Vorfall
Eine Hundezüchterin klagte gegen den ihre Zuchthündin behandelnden Tierarzt.
Die Hundezüchterin hatte ihren Hund mit – nach einer künstlichen Befruchtung aufgetretenen – Krankheitssymptomen wie Fressunlust, Müdigkeit und Ausfluss in die Ordination des Tierarztes gebracht. Dadurch kam rechtlich ein sog. Behandlungsvertrag zustande.
Offensichtlich ist es zu einer Komplikation gekommen, die vom Tierarzt nicht diagnostiziert wurde, da aus den Gerichtsakten ersichtlich ist, dass offensichtlich eine notwendige gynäkologische Untersuchung nicht durchgeführt wurde. Dabei hätte die Komplikation so rechtzeitig erkannt werden können, dass „der Beklagte der Klägerin zwei Behandlungsmöglichkeiten" hätte vorschlagen können, „nämlich die operative Gebärmutterentfernung (die mit Sicherheit zum Verlust der Deckfähigkeit geführt hätte) oder die konservative Behandlung mit Prostaglandinen, die riskanter gewesen wäre, aber die Deckfähigkeit möglicherweise erhalten hätte", so die Berufungsinstanz. Daher bestand das Hauptproblem weniger beim Eingriff der künstlichen Befruchtung, als vielmehr in der Unterlassung einer lege artis angezeigten gynäkologischen Untersuchung.

Die Hündin verstarb, die Züchterin klagte daraufhin den Tierarzt als Verursacher des Todes auf einen Streitwert von etwas über 14.500 Euro. Dieser Betrag errechnete sich aus dem Verkehrswert Ihrer nach der Behandlung durch den Tierarzt verendeten Zuchthündin und dem „Welpenschaden", also dem Verdienstentgang aus dem Verkauf der Welpen von zumindest drei weiteren Würfen, sowie den tierärztlichen Behandlungskosten.

Die Eigentümerin stützte sich mit ihrem Anspruch gegen den behandelnden Tierarzt auf eine fehlerhafte Diagnose und Behandlung des Tierarztes. Da sie nicht ihr gesamtes Vorbringen, insbesondere den Eintritt des Welpenschadens, beweisen konnte, drang sie nicht zu hundert Prozent mit Ihrer Klage durch. Sie erhielt nur die frustranen Behandlungskosten ersetzt.

Wo lag der Behandlungsfehler?
Im vorliegenden Fall lag der Behandlungsfehler des Tierarztes lt. Gericht im Unterlassen entsprechend dem tierärztlichen Wissensstand diagnostisch richtigen Handelns.

Was ist ein Vertrag mit dem Tierarzt in rechtlicher Hinsicht?
Rechtlich handelt es sich um einen Behandlungsvertrag. Der Tierarzt verpflichtete sich zur Behandlung des Tieres nach den in Fachkreisen anerkannten Standards.

Welchen Standard der tierärztlichen Betreuung haben Sie beim Tierarzt zu erwarten?
Der Oberste Gerichtshof hat ausgesprochen, dass bei einem solchen Behandlungsvertrag der Eigentümer des Tieres (grundsätzlich nicht anders als ein Patient der Humanmedizin) Anspruch auf Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden Maßnahmen hat.

Wie ist der Tierarzt zu beurteilen?
Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes ist der Tierarzt Sachverständiger und hat daher einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab zu beachten.

Die Sachverständigenhaftung des Tierarztes
Grundsätzlich fällt nach § 1297 ABGB nur dem ein Verschulden zur Last, der den Fleiß oder die Aufmerksamkeit unterlässt, die bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden können. Während es nach den allgemeinen Regeln bei der Prüfung, ob jemandem ein Schuldvorwurf zu machen ist, auf die subjektiven Fähigkeiten und Kenntnisse ankommt, wird durch § 1299 ABGB hierfür ein objektiver Maßstab eingeführt. Vom Tierarzt wird aufgrund seiner Sachverständigenposition also besondere Sorgfalt verlangt.

Der Tierarzt haftet als Sachverständiger für die Richtigkeit seines Gutachtens nach den §§ 1299, 1300 ABGB. Demnach liegt ein gemäß § 1299 ABGB haftbarer Verstoß vor, wenn die vom Tierarzt gewählte Maßnahme hinter dem in Fachkreisen anerkannten Standard zurückbleibt.

Der in Fachkreisen anerkannte Standard
Der Sorgfaltsmaßstab des Sachverständigen richtet sich nach dem Leistungsstandard seiner Berufsgruppe. Der Tierarzt haftet demnach für jene Kenntnisse und jenen Fleiß, den seine Fachkollegen gewöhnlicherweise haben.

Die Befähigung des Tierarztes
Wird nicht der gewöhnliche Fleiß beziehungsweise die gewöhnliche Aufmerksamkeit eines Tierarztes aufgewendet, so kann sich der Tierarzt nicht mit dem Fehlen der geforderten Eigenschaften entlasten. Dem Sachverständigen wird vielmehr eine Garantiehaftung auferlegt. Das bedeutet, dass jeder, der eine besondere Tätigkeit ausübt, auch dafür einstehen muss, dass er die nötigen Fähigkeiten hat. Wer – wie ein Tierarzt – ohne Not freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse erfordert, gibt dadurch zu erkennen, dass er sich den notwendigen Fleiß und die erforderlichen außergewöhnlichen Kenntnisse zutraut. Einen allfälligen Mangel der entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten hat er aus diesem Grund zu vertreten. Der Sachverständige haftet unter Umständen allein, weil er das Geschäft übernommen hat.

Wem gegenüber besteht die Haftung?
Die herrschende Auffassung geht dahin, dass die Bestimmung des § 1299 ABGB nur das Verhältnis zwischen dem Sachverständigen und seinem Auftraggeber regelt, so dass der Tierarzt als Sachverständiger aus seinem zum Auftraggeber begründeten Rechtsverhältnis dem anderen, nicht aber jedermann gegenüber, haftet. Dies gilt vor allem für Rat, Auskunft und Gutachten.

Wofür haftet der Tierarzt nicht?
Ein Sachverständiger haftet nicht für außergewöhnliche Kenntnisse und außergewöhnlichen Fleiß – das heißt er wird nicht an einem außergewöhnlichen „Star-Tierarzt" gemessen, wohl aber haftet er für die Kenntnisse und den Fleiß, den seine Fachgenossen gewöhnlich haben. Weiters besteht selbstverständlich auch keine Haftung des Tierarztes für Schäden, die außerhalb des gewöhnlichen Laufes der Dinge und daher unvorhersehbar sind.

Dr. Daniela Kuttner, MAS


Die Expertin in Sachen Tierrecht:

Die Rechtsanwaltskanzlei der Autorin Dr. Daniela Kuttner ist auf Tierrecht spezialisiert und überaus tierfreundlich. Tatkräftige moralische Unterstützung bietet der 8-jährige Hund der Verfasserin namens „Scotty"… Die Verfasserin ist auch Umweltmanagerin und Mediatorin.

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